Gemeinderäte sollen von OB Kuhn ein realistisches Szenario für mehr Wohnungsbau einfordern

Das Flächenszenario der Stadtverwaltung zur Außenwicklung auf sechs Flächen ist offensichtlich nur auf breite Ablehnung durch Gemeinderat und Bürgerschaft angelegt

In einem Brief bittet der Mieterverein die Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen in Stuttgart, von Oberbürgermeister Kuhn realisierbare und der Bürgerschaft vermittelbare Szenarien für ein wachsendes Stuttgart einzufordern. Solche Szenarien sollten dem bestehenden Wohnungsmangel wirksam abhelfen können und auch dem vom städtischen Statistikamt prognostizierten Bevölkerungszuwachs auf 650.000 Einwohner im Jahr 2030 Rechnung tragen.

Nach Einschätzung des Mietervereins dienen die kürzlich von OB Kuhn und Baubürgermeister Pätzold vorgelegten „Szenarien für den Wohnungsbau“ nicht dem Ziel, mehr Wohnungen zu schaffen, sondern sind taktisch angelegt, um eine moderate Außenentwicklung von Wohnbauflächen zu verhindern. „Ein Szenario, welches über die ganze Stadt verteilt, an sechs Stellen große Neubaugebiete für insgesamt 6.900 Wohnungen ausweist, wurde von der Rathausspitze offensichtlich mit der Absicht erstellt, dass es am breiten Widerstand in der Bürgerschaft und im Gemeinderat scheitert“, kritisiert Mietervereinschef Rolf Gaßmann.

Wenn es dem Oberbürgermeister und der Verwaltung um eine Lösung des Problems der Flächenknappheit und um breite Akzeptanz hierfür gegangen wäre, hätte man eine Beschlussvorlage für nur ein größeres, ökologisch und nachhaltig zu gestaltendes Neubaugebiet erstellt, einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Laut Gaßmann könnten, durch innovative Planung und Gestaltung der Baudichte, in nur einem Baugebiet (z. B. dem Birkacher Feld) knapp 6.000 Wohnungen entstehen.

Das Freiburger Beispiel des Neubaugebietes „Dietenbach“ zeige, wie ein Oberbürgermeister und der Gemeinderat, denen die Wohnungsversorgung wichtig ist, Mehrheiten in der Bürgerschaft für ein Neubaugebiet gewinnen können. In Freiburg-Dietenbach werden auf 58 Hektar Fläche 6.900 Wohnungen für 15.000 Einwohner gebaut. Im Szenario von OB Kuhn und Bürgermeister Pätzold dagegen sollen auf den sechs vorgeschlagenen Außenflächen von insgesamt 132,4 Hektar nur 6.900 Wohnungen entstehen können. Dass Wohnqualität und Dichte sich nicht ausschließen, zeigen Stadtplaner in Zürich und Freiburg.

„Auch die Behauptung des Oberbürgermeisters, durch mehr Wohnungsbau würden Probleme am Wohnungsmarkt nicht geringer, wird durch ständige Wiederholungen nicht richtiger“, so Gaßmann. Hamburg baue pro 100.000 Einwohner 600 WE pro Jahr, Stuttgart zuletzt nur 150 WE.

In Hamburg habe sich der Wohnungsmarkt für Mieter durch die große Zahl an Baufertigstellungen der letzten Jahre sichtbar entspannt. Auch OB Kuhns Verweis auf die steigenden Mieten in München, trotz großer Anstrengungen im Mietwohnungsbau, überzeugt den Mieterverein genauso wenig wie die Argumentation der Corona-Verschwörer: Ohne aktives Handeln der politisch Verantwortlichen wäre das Problem weit größer.

Wenn die politischen Entscheidungsträger den Wohnungsbau durch Verknappung der Bauflächen weiter einschränken, müssten sie in Konsequenz auch die Schaffung weiterer Arbeitsplätze in Stuttgart und damit die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt deckeln. Laut Statistischem Jahrbuch sind von 2010 bis 2018 in Stuttgart zusätzlich 72.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden - ohne dass ausreichender Wohnraum geschaffen wurde. In Folge ist die Zahl der täglichen Einpendler nach Stuttgart um 44.000 auf 252.000 angestiegen, mit weiten und langen Fahrwegen der Arbeitnehmer. „Es zeigt von wenig ökologischer Einsicht, wenn man eine Viertel Million Menschen täglich zu ihrem Arbeitsplatz einpendeln lässt und darin sogar die Lösung für die Zukunft von Stuttgart sieht,“ so Gaßmann.

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