Auch lange bestehende Wohnungsleerstände müssen endlich beendet werden

Mieterverein kritisiert Untätigkeit der Stadt Stuttgart bei der Korrektur ihrer fehlerhaften Zweckentfremdungssatzung

Angesichts von ca. 20.000 fehlenden Wohnungen in Stuttgart und geringer Neubauleistung ist lange bestehender Wohnungsleerstand nicht weiter tolerierbar. Immer wieder melden Bürger dem Mieterverein Häuser und Wohnungen, welche seit mehr als sechs Jahren leer stehen. Obwohl das für die Ahndung zuständige Baurechtsamt seine Hilflosigkeit gegen langwährenden Leerstand öffentlich beklagt, weigert es sich bislang, dem Gemeinderat eine Satzung vorzulegen, welche die selbst verursachte Hilflosigkeit beendet. Stattdessen verweist das Amt auf ein angebliches Rückwirkungsverbot für die Sanktionierung von Leerstand, welcher vor Erlass der Stuttgarter Satzung im Jahr 2016 schon bestand. In einem „Brandbrief“ fordert der Stuttgarter Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann den Stuttgarter Baubürgermeister Pätzold und an die Gemeinderäte zum Handeln auf.

Es mag ein Rückwirkungsverbot für die Sanktionierung eines unerwünschten Verhaltens geben, welches vor Erlass eines Gebotes, Verbotes oder einer Satzung noch legal war: Wird ein Halteverbot in einer Straße angeordnet, kann ein KFZ-Fahrer nicht mit Bußgeld belegt werden, wenn er schon vor dem Halteverbot dort parkte, wohl aber, wenn er dies nach dem Inkrafttreten noch tut. Der KFZ-Halter kann sich danach nicht mehr darauf berufen, dass er schon immer dort parkte. Ähnliches gilt z.B. auch bei dem geplanten Messerverbot in bestimmten Zonen der Stadt. Ein mit Messer bewaffneter Mann kann sich nach dem Erlass einer Verbotssatzung nicht darauf berufen, dass er schon seit zehn Jahren mit einem Messer in die Innenstadt geht und deshalb weiterhin einen Rechtsanspruch darauf hat. Auch beim langen Leerstand geht es nicht darum, den Eigentümer zu sanktionieren, weil er vor einer Satzung Wohnraum leer stehen ließ, sondern weil er es nach Erlass der Satzung noch immer tut. Der Willen eines Gesetzgebers oder Kommunalparlaments ist grundsätzlich spätestens ab dem Zeitpunkt zu befolgen, ab dem eine beschlossene Regelung in Kraft tritt und ein Betroffener nicht für alle Zukunft auf den Fortbestand der vorher bestehenden Regelung vertrauen konnte.

In Baden-Württemberg wurde eine Rückwirkung für Leerstand vor Satzungsbeschluss nur deshalb vom Verwaltungsgericht untersagt, weil Stuttgart und andere Städte in Unkenntnis der Rechtswirkung in ihren Satzungen selbst eine Formulierung aufnahmen, die eine Sanktionierung von Leerstand vor Inkrafttreten der Satzung ausschließt. Dieser Rechtsfehler muss Stuttgart dringend durch eine neue Satzung korrigieren, welche die Stadt nicht weit stärker beschränkt, wie es das Landesgesetz vorsieht. Entsprechend sollte die Stadt in der Satzung neu regeln, dass spätestens sechs Monate nach Erlass ihrer Satzung auch derjenige gegen das Zweckentfremdungsgesetz verstößt, der eine Wohnung dann immer noch leer stehen lässt. Wenn die Stadt dies umgehend in einer neuen Satzung beschließt, könnte sie lange anhaltenden Leerstand spätestens ab März 2023 endlich sanktionieren und die Eigentümer der „Häuser der Schande“ zur Vermietung zwingen.

Die Stadt Freiburg und in der Folge auch Stuttgart haben sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg selbst durch fehlerhafte Formulierung ihrer Satzungen eingebrockt (man kopierte der Münchner Satzung, statt eigene Formulierungen für einen anderen Sachverhalt zu finden). Nun sollte sich die Stuttgarter Verwaltung dies eingestehen, sich nicht weiter untätig verhalten und sich zügig an die dringend notwendige Nachbesserung der Zweckentfremdungssatzung machen.

Mit einer verbesserten Zweckentfremdungssatzung muss der Gemeinderat schnellsten einen unhaltbaren Zustand beenden: Kein Eigentümer versteht, warum er nach sechs Monaten für Leerstand sanktioniert werden kann, der zehnjährige Leerstand im Nachbarhaus aber von der Stadt hingenommen wird.

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