Im Leerstand von 11.152 Wohnungen in Stuttgart steckt erhebliches Potenzial zur Verringerung der Wohnungsnot
Die Stadt muss engagierter gegen Leerstand und Zweckentfremdung vorgehen
Die im Juni von der Stadt Stuttgart veröffentlichte Analyse des Wohnungsleerstands (Statisches Monatsheft 12/24) zeigt das mögliche Potenzial für den Stuttgarter Wohnungsmarkt, sofern die längere Zeit leerstehenden Wohnungen wieder vermietet würden. Von den 11.152 leerstehenden Wohnungen sind 6.100 Wohnungen seit mehr als einem halben Jahr leerstehend, fallen also grundsätzlich unter das Zweckentfremdungsverbot. Das Verbot untersagt Leerstand von mehr als sechs Monaten. 6.100 Wohnungen entsprechen in Stuttgart der Neubauleistung von sechs Jahren. Die Mobilisierung dieser Wohnungen für den Mietwohnungsmarkt würde nicht nur den Wohnungsmarkt deutlich entlasten, sondern auch der Umwelt helfen – durch weniger zusätzliche Bauflächen und eingesparte Baustoffe.
Das renommierte Pestel-Institut geht in einer Studie davon aus, dass Wohnungen, welche länger als ein Jahr leer stehen, von den Eigentümern nicht mehr dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden wollen. Dies sind in Stuttgart immerhin 4.200 Wohnungen, also die Bauleistung von vier Jahren.
Interessant ist auch der Vergleich mit deutschen Großstädten, die ähnlich große Wohnungsnot haben wie Stuttgart. So ist der Wohnungsleerstand in Hamburg und Berlin nur ungefähr halb so groß. In diesen beiden Städten engagieren sich die regierenden Bürgermeister und städtischen Ämter deutlich mehr gegen Leerstand, offensichtlich auch mit mehr Erfolg. Die nahezu gleich hohen Leerstandszahlen in Stuttgart in den Jahren 2022 und 2011 zeigen dagegen auf, dass das 2016 eingeführte Leerstandsverbot hier offensichtlich nur unzureichend umgesetzt wird. So konnten durch das zuständige Amt in über acht Jahren 400 Wohnungen zurückgewonnen werden, also nur 50 Wohnungen pro Jahr – bei einem andauernden Leerstand von über 11.000 Wohnungen.
Für den Mieterverein folgt aus diesem bescheidenen Ergebnis, dass die Stadt Stuttgart mehr gegen Leerstand tun muss. Weil das Beenden von Leerstand für das beauftragte Amt sehr arbeitsintensiv ist, benötigt es dringend eine bessere Personalausstattung. Zudem müssen Oberbürgermeister und Baubürgermeister den Nutzen des Zweckentfremdungsverbots für die städtische Wohnungspolitik den Bürgern erläutern und um deren Unterstützung bei der Wiedergewinnung von leerstehenden Wohnungen werben. Gaßmann: „Wir erwarten, dass die Stadt regelmäßig in ihren Publikationen und Pressemitteilungen auf das existierende Online-Meldeverfahren für Leerstand (poststelle.zweckentfremdung@stuttgart.de) hinweist und die Bürger um Mithilfe zur Wiedervermietung von leerstehendem und dringend benötigtem Wohnraum bittet!“ Bislang wird der Leerstandsmelder durch die Stadt leider nicht einmal im Amtsblatt beworben.
„Dabei zeigen die 2022 mit der Volks- und Wohnungszählung erhobenen Leerstandszahlen nur die Spitze des Eisbergs“, stellt der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann fest. Zum einen beruhen die Daten der Wohnungserhebung auf Befragungen der Hauseigentümer, von denen vermutlich nicht wenige angesichts des geltenden Zweckentfremdungsverbots beim Ausfüllen der Fragebögen ihre Leerstände verschweigen.
Zudem sind als Ferien- oder Monteurswohnungen vermietete Wohnungen nicht in den Leerstandszahlen enthalten, obwohl sie unter das Zweckentfremdungsgesetz fallen. Der Mieterverein Stuttgart schätzt, dass durch solch illegale Umnutzungen als „Hotelersatz“ zusätzlich mindestens 3.000 Wohnungen nicht mehr dem Mietwohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Für nicht wenige Eigentümer ist die Kurzzeitvermietung ein profitables Geschäftsmodell: Neben dem seit 15 Jahren in Stuttgart tätigen Anbieter Airbnb hat inzwischen auch Immoscout eine gesonderte Anzeigenrubrik für solche „Kurzzeitvermietungen“ eingerichtet. Obwohl Stuttgart seit einigen Jahren eine Registrierungspflicht mit Registrierungsnummer eingeführt hat, geht die Stadt Verstößen kaum nach. Bei den meisten Vermietungsanzeigen in einschlägigen Portalen fehlt diese Nummer, ohne dass die Stadt dies bislang mit Bußgeldern sanktioniert. Ab Juli 2026 gilt gemäß einer EU-Verordnung deutschlandweit die Registrierungspflicht für Kurzzeitvermietungen bei einer zentralen Registrierungsstelle. Dann könnte die Stadt recht einfach nicht genehmigte gewerbliche Vermietungen aufspüren, abstellen und gegebenenfalls Bußgelder kassieren. Voraussetzung ist, dass dann dafür auch ausreichend Personal vorhanden ist.
Die zitierten Fakten stammen aus dem im Juni veröffentlichten Statistischen Monatsheft 12/2024.