In Stuttgart und Esslingen werden die Angebotsmieten jetzt kontrolliert

Blaue Briefe und gegebenenfalls Bußgelder für raffgierige Vermieter

Nicht wenige Vermieter nutzen den Wohnungsmangel schamlos aus und verlangen Mieten, die gegen Gesetz und Anstand verstoßen. Die vielfach überzogenen Neuvertragsmieten gehen danach in die Mietspiegel ein und treiben auch die Bestandsmieten in die Höhe. Eine neue Auswertung des Mietervereins von 35 in Reihenfolge angebotenen Wohnungen eines großen Wohnungsportals ergab Mieten pro Quadratmeter von bis zu 26 Euro. Durchschnittlich verlangen Vermieter in diesem Portal 18 Euro/qm Nettokaltmiete, obwohl in Stuttgart bei durchschnittlich 16,56 Euro (50 Prozent über Mietspiegel) eigentlich schon die Wuchergrenze beginnt. Eine Marktanalyse für Esslingen ergab im Mai 2022, dass dort fast ein Viertel der angebotenen Wohnungen im Bereich der Mietpreisüberhöhung lag.

Die Mietervereine in Stuttgart und Esslingen hatten die Oberbürgermeister Nopper und Klopfer bereits im letzten Jahr aufgefordert, dies nicht weiterhin tatenlos zu akzeptieren. Wie in der Stadt Freiburg seit Januar 2022 praktiziert, wurden auch die Stadtverwaltungen in Stuttgart und Esslingen zum Handeln aufgefordert. So schreitet die Stadt Freiburg seit Anfang 2022 ein, wenn sie Kenntnis oder Anhaltspunkte darüber erhält, dass der Tatbestand der Mietpreisüberhöhung oder des Mietwuchers erfüllt ist. Dies hatte der Gemeinderat im Gesamtkonzept „Bezahlbar Wohnen 2030“ so beschlossen. Das Vorgehen gegen Mietwucher ist eines der Instrumente, um die Bezahlbarkeit von Wohnungen im Bestand zu sichern. „Uns ist bewusst, dass sich Vermieter überwiegend an die gesetzlichen Regelungen halten. Aber es gibt leider immer wieder welche, die völlig überhöhte Mieten beanspruchen und die angespannte Wohnungssituation zu Lasten der Mieter bewusst ausnutzen. Diese schwarzen Schafe nehmen wir in den Fokus“, begründete die Leiterin des Referats für bezahlbares Wohnen in Freiburg die Aktion. Sie wurde sogar vom Eigentümerverband Haus & Grund Freiburg unterstützt. „Private Vermieter haben ein Interesse an langfristigen und guten Mietverhältnissen“, erklärte dessen Geschäftsführer Stephan Konrad. Dies sei mit überhöhten Mietpreisen oder gar Mietwucher nicht zu vereinbaren.

Seit über einem Jahr kooperiert die Stadt Freiburg dafür mit der Firma Mietenmonitor. Dieser Dienstleister evaluiert anhand ausschließlich öffentlich zugänglicher Daten auf den großen Immobilienportalen, in welchen Gebieten und in welcher Anzahl bei den eingestellten Vermietungsangeboten der Verdacht auf Mietpreisüberhöhung oder Mietwucher besteht. Dafür prüft Mietenmonitor online verfügbare Wohnungsinserate mit Hilfe des gültigen Mietspiegels, ob der Verdacht einer Mietpreisüberhöhung bzw. Mietwucher vorliegt. Mietenmonitor stellt die erhobenen Daten dann der Stadtverwaltung zur Verfügung. Diese schreibt die betroffenen Vermieter zunächst an und wirkt auf eine Senkung der Miete hin. Gelingt dies nicht, leitet die Stadt in geeigneten Fällen ein Bußgeldverfahren ein. Erfahrungen aus Freiburg zeigen, dass manche überhöhte Mietforderung auch aus Unkenntnis der Vermieter gestellt wird und Vermieter für den Hinweis der Stadt auf eine überhöhte Miete durchaus dankbar sind. Nach einjähriger Zusammenarbeit mit der Firma Mietenmonitor hat die Stadt Freiburg ihre Erfolgsbilanz veröffentlicht. Danach konnten in über 130 Fällen die Mieten abgesenkt werden und viele Makler würden jetzt auf Grund des Wirkens der Stadt ihre Kunden auf die gesetzlich zulässigen Grenzen hinweisen. „Der Mehrwert liegt darin, dass die Immobilienwirtschaft jetzt weiß, dass die Stadt die Mieten kontrolliert“ stellt die Stadt Freiburg fest.

Die Freiburger Erfolgsbilanz und die beharrliche Überzeugungsarbeit der Mietervereine haben nun auch in den Städten Stuttgart und Esslingen dazu geführt, dass gegen überhöhte Mieten in Zusammenarbeit mit Mietenmonitor vorgegangen werden soll. So hat der für das Wohnungswesen zuständige Bürgermeister Pätzold Anfang März dem Mieterverein mitgeteilt, die Stadt habe „bereits damit begonnen, Online-Inserate zu prüfen und entsprechende Schreiben verschickt. Hierdurch konnten bereits einige Senkungen der Angebotsmieten erreicht werden.“ Man befinde sich auch in Gesprächen mit der Firma Mietenmonitor und beabsichtige, die Firma „mit einer Szenarioanalyse für den Mietmarkt Stuttgart zu beauftragen“.

Die Stadt Esslingen hatte in ihrer Pressemitteilung vom 23.03.2023 angekündigt, sie werde ab Juli Mietenmonitor beauftragen, „verfügbare Inserate im Esslinger Stadtgebiet zu überprüfen“. Bei Wohnungsangeboten, deren Miete gegen Mietpreisgesetze verstoßen, wolle sie die jeweiligen Vermieter oder Makler kontaktieren „und über die geltenden Regeln bei der Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete informieren“.

Der Stuttgarter Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann und sein Esslinger Kollege Udo Casper zeigen sich erfreut darüber, dass in beiden Städte maßlose Mietforderungen nicht mehr hingenommen werden. „Auch in Stuttgart und Esslingen wissen Immobilienwirtschaft und Makler jetzt, dass die Städte die Angebotsmieten auf ihre Zulässigkeit hin kontrollieren“, erklärt Gaßmann. Rechtswirksam können Städte einen Vermieter nur belangen, wenn es auch einen Mieter gibt, der von Mietpreisüberhöhung oder Mietwucher betroffen ist. Die Mietervereine erwarten deshalb, dass die Städte den Mietern auch Anlaufstellen nennen, wo Fälle von Mietpreisüberhöhung angezeigt können. Wenn die Stadt aufgrund solcher Anzeigen Vermieter zur Mietsenkung auffordert, müssen Vermieter auch mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen.

Udo Casper verweist auch auf den gesetzlich möglichen Strafrahmen: Mietpreisüberhöhung (20 Prozent über ortsüblicher Vergleichsmiete) kann gemäß § 5 Wirtschaftsstrafgesetz mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden und der Mehrerlös des Vermieters eingezogen werden. Der Wucherer (mehr als 50 Prozent über ortsüblicher Vergleichsmiete) kann nach § 291 StGB mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren bestraft werden.

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