Landesregierung stoppt geplanten Abriss von Mietwohnungen in der Innenstadt
Proteste des Mietervereins Stuttgart zeigten Wirkung
Im Stuttgarter Gerichtsviertel plante der Landesbetrieb Vermögen und Bau die Errichtung eines sehr großen Verwaltungsgebäudes. Dort befindet sich aber neben einer Brachfläche bislang ein Wohnkomplex mit 30 guten und bezahlbaren Mietwohnungen. Im Juli 2021 wurden die Mieter der drei Wohnhäuser Ulrichstr. 11a -13 vom Landesbetrieb aufgefordert, bis 30. September 2022 ihre Wohnungen „freizuziehen“.
Als Mietervereinschef Rolf Gaßmann von einem Mitglied über den geplanten Abriss informiert wurde, wandte er sich sofort an den für das Amt zuständigen Finanzminister Bayaz (Grüne): „Wie Ihnen bekannt ist, mangelt es in Stuttgart an bezahlbaren Wohnungen und es besteht seit 2016 ein Zweckentfremdungsverbot, welches auch mit Unterstützung der Grünen beschlossen wurde, um Wohnraum zu erhalten. Auch deshalb ist es umso unverständlicher, dass das Land 30 dringend benötigte und gefragte Innenstadtwohnungen abreißen will, um dort einen Bürokomplex ohne Wohnungen zu errichten. Schon heute leidet das auch als Gerichtsviertel bezeichnete Innenstadtquartier darunter, dass die Wohnnutzung immer weiter zurückgedrängt wird.“
Abriss und Errichtung eines reinen Bürokomplexes widersprachen auch der kürzlich zwischen Grünen und CDU beschlossenen Koalitionsvereinbarung, stellte der Mieterverein fest. Denn dort heißt es „Wir werden das Angebot der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg um eine Säule zur Entwicklung gemischter Quartiere, in denen Wohnen und Arbeiten zusammen gedacht werden, erweitern“. Leider war diese auch für Stuttgart richtige und wichtige Zielsetzung von gemischten Quartieren beim Landesbetrieb Vermögen noch nicht angekommen.
Mit großer Öffentlichkeitswirkung forderte Gaßmann den Finanzminister auf, den Landesbetrieb Vermögen und Bauen zum Umdenken und Umplanen zu veranlassen, „damit nicht noch mehr Bürofläche zu Lasten von Wohnraum erweitert wird. Trotzdem beharrte das Land zunächst auf seinen Plänen. Der Abriss sei angeblich notwendig, um Ausweichquartiere für den Landtag zu schaffen. Auch die vom Mieterverein eingeschaltete Stadtverwaltung, erklärte im vorauseilenden Gehorsam, Abriss und Neubau seien „ein wichtiges Projekt für das Land, über das man frühzeitig im Austausch war“.
Erst einen Tag nachdem das skandalöse Projekt zum Aufmacher in der Stuttgarter Zeitung und zum Landesgespräch wurde, zeigte die Landesregierung Einsicht und stoppte das Projekt. „Ich habe heute mit dem Finanzminister entschieden, dass der Resetknopf gedrückt wird“, erklärte Ministerpräsident Kretschmann nach der Kabinettsitzung am 15. Oktober. Die Regierung werde das jetzt mit dem Landtag besprechen und „was dabei herauskommt ist offen“. Anfang November erhielt der Mieterverein Stuttgart dafür auch die schriftliche Bestätigung aus dem Finanzministerium. Man habe sich „entschieden, das Neubauvorhaben und den damit verbundenen Rückbau der Wohngebäude in der Ulrichstraße grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen“, schrieb Staatssekretärin Gisela Splett an den Mieterverein. Dieser zeigte sich erfreut über das Einlenken der Landesregierung. „Man kann doch nicht mit den Rezepten von gestern, die statt bezahlbarem Wohnraum Büros vorsehen, zukünftig Stadtentwicklung betreiben“, erklärte Rolf Gaßmann.