Vonovia-Mieter können schon bezahlte Mieterhöhungen wegen Unwirksamkeit zurückfordern
Deutschlands größter Wohnungskonzern unterliegt erneut vor dem Landgericht Stuttgart
Mit Beschluss vom 17.09.2020 hat das Landgericht Stuttgart die Anhörungsrüge von Vonovia gegen ein Ende Juli ergangenes Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Damit ist klargestellt, dass viele Mieter von Vonovia auch in Stuttgart rechtlich unwirksame Modernisierungsmieterhöhungen zurückfordern können.
Ende Juli 2020 hatte das Landgericht Stuttgart die Unwirksamkeit der Modernisierungsmieterhöhungen von Vonovia festgestellt und Vonovia zur Rückzahlung der von einer Mieterin zu Unrecht erhaltenen Erhöhungsbeträge seit September 2018 über insgesamt 4.691 Euro verurteilt. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Vonovia hatte zuvor gegen ein gleich lautendes Urteil des Stuttgarter Amtsgerichts vom Januar 2020 Berufung eingelegt.
Dem für Vonovia in nunmehr drei Verfahren erfolglosen Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2018 erhielten die Mieter einer Wohnanlage im Stuttgarter Osten wegen Modernisierungen saftige Mieterhöhungen. So sollte eine Mieterin für ihre 72 qm große Wohnung ab September 2018 statt 521 Euro nunmehr 716 Euro bezahlen, eine Erhöhung von 37,5 Prozent. Einschließlich Nebenkosten lag die Gesamtmiete dann bei 922 Euro. Auch über die von Vonovia angebotene Mietminderung von nur 150 Euro für eineinhalb Jahre Baulärm, Schmutz und stark geminderten Wohnwert war die Mieterin empört und verlangte weitere 1.450 Euro Minderung. Doch Vonovia zeigte außergerichtlich keinerlei Entgegenkommen. Mit dem Rechtsschutz des Mietervereins im Rücken verklagte die Mieterin Vonovia auf Rückerstattung der bezahlten Mieterhöhungsbeträge und auf die erhöhte Mietminderung. Mieteranwalt Dieter Haspel argumentierte in der Klageschrift, dass die Mieterhöhung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach und die von der Mieterin sorgsam mit Fotos dokumentierten Beeinträchtigungen während der langen Bauzeit eine deutlich höhere Mietminderung rechtfertige. Mit Urteil vom 16.01.2020 hatte zunächst das Amtsgericht Stuttgart die formelle Unwirksamkeit der Mieterhöhung festgestellt und Vonovia zur Rückzahlung der schon erhaltenen Mieterhöhungen verurteilt. Den Anspruch der Mieterin auf die höhere Mietminderung von insgesamt 1.600 Euro hatte Vonovia vor dem Amtsgericht bereits selbst anerkannt.
Ende Juli 2020 wies das Landgericht die von Vonovia eingelegte Berufung ab, weil das Mieterhöhungsverlangen „nicht hinreichend begründet“ war. Eine Mieterhöhung wegen Modernisierung müsse so ausgestaltet sein, dass einem Mieter die überschlägige Überprüfung des Erhöhungsbetrages möglich sei. Deshalb müssten die Modernisierungsarbeiten nach Gewerken untergliedert werden, z. B. Maurerarbeiten, Malerarbeiten und Gerüst. Ohne eine solche Aufstellung sei dem Mieter keine Überprüfung möglich, welche Arbeiten als Instandhaltung vom Vermieter zu tragen sind. Die Modernisierungsmieterhöhungen von Vonovia enthielten eine solche Aufspaltung nicht und waren deshalb unwirksam.
Doch statt danach auf alle betroffenen Mieter zuzugehen, um eine einvernehmliche Lösung zur Rückzahlung der unwirksamen Mieterhöhungen herbeizuführen, legte Vonovia auch gegen dieses Urteil Rechtsmittel ein. Der Wohnungskonzern habe angeblich kein rechtliches Gehör vor Gericht gefunden. Dabei waren deren Anwälte nicht einmal vor Gericht erschienen und „Vonovia hatte über einen Zeitraum von fünf Monaten die Möglichkeit, alles zu erklären, was sie für notwendig hielt“, entgegnete Mieteranwalt Dieter Haspel auf die Anhörungsrüge und resümierte, „mehr rechtliches Gehör gibt es nicht“. Mietervereinschef Rolf Gaßmann wertete das äußerst seltene Rechtsmittel der Anhörungsrüge von vornherein nur als „untauglichen Versuch von Vonovia, zur eigenen Profitmaximierung rechtlichen Nebel um ein klares Urteil zu werfen und Mieter bei der Inanspruchnahme ihrer Rechte zu verunsichern. Den größten Teil der Profitsteigerung von Vonovia erbringt inzwischen die Modernisierungstätigkeit, da die Erhöhungsmöglichkeiten durch die Obergrenzen der Mietspiegel weitgehend ausgeschöpft sind.“ Für noch mehr Profit betreibe der größte Wohnungskonzern Deutschlands nun Gerichtsschelte, verbreite Unwahrheiten und schüchtere seine Mieter ein, kritisiert der Mieterverein.
Stuttgarter Mieter, welche in den letzten Wochen ihr Geld mit Hinweis auf das Landgerichtsurteil zurückverlangten, belog Vonovia mit der Behauptung, es gehe bei der Mieterhöhung nur um „einen angeblichen Formfehler“ und „die von den Gerichten geforderte Aufschlüsselung nach Gewerken findet in den maßgeblichen Rechtsvorschriften und in der Rechtsprechung gar keine geeignete Grundlage“. Tatsächlich hatten auch die Landgerichte in Bremen und Hamburg bereits gleichlautende Urteile gefällt. Im gleichen Schreiben drohte Vonovia seinen Mietern, sie werde gekürzte Mieten „im Zuge eines Mahn- oder Klageverfahrens geltend machen müssen“.
Obwohl das Landgericht Stuttgart nunmehr auch die Anhörungsbeschwerde von Vonovia zurückgewiesen hat, erwartet der Mieterverein Stuttgart leider auch zukünftig kein freiwilliges Entgegenkommen des Konzerns, sondern neue Täuschungsversuche und Einschüchterungen gegen die betroffenen Mieter. Vonovias Mieter werden deshalb ihre schon bezahlten aber unwirksamen Modernisierungsmieterhöhungen gerichtlich geltend machen müssen. Der Konzern weist zwar 1,2 Milliarden Euro Gewinn aus. Doch wenn es um noch mehr Profit geht, ist Vonovia sein öffentliches Ansehen und sein Verhältnis zu seinen Mietern völlig egal“, kritisiert Gaßmann. Solch ein unter Mietvertragsertragspartnern äußerst unfaires und unübliches Verhalten kenne der Mieterverein sonst nur von rüden Wohnungsspekulanten.
Die Berater des Mietervereins überprüfen Modernisierungserhöhungen und helfen Mitgliedern bei der Rückforderung.