Vorgetäuschter Eigenbedarf kann für den Vermieter teuer werden

Mieterverein erstreitet hohe Schadensersatzzahlung

Besorgt stellt der Mieterverein Stuttgart fest, dass Vermieterkündigungen wegen Eigenbedarf drastisch zunehmen. So stiegen die Anträge auf Rechtsschutz wegen Eigenbedarfskündigungen zwischen 2013 und 2018 um 72 Prozent. „Häufig ist aber der Eigenbedarf nur vorgeschoben, um Mieter loszuwerden, welche von ihren Rechten Gebrauch machen. Wer sich gegen überhöhte Mieten und Betriebskostenabrechnungen wehrt oder vom Vermieter die Beseitigung von Wohnungsmängeln verlangt, muss mit der Eigenbedarfskündigung rechnen. Vermieter finden schnell einen Grund, warum sie oder ein naher Verwandter angeblich dringend jetzt die Wohnung des Mieters benötigen und gekündigt werden muss“, empört sich Mietervereinschef Rolf Gaßmann. Der Mieterverein Stuttgart begegnet dieser „Aushöhlung der Mieterrechte“ deshalb verstärkt mit Schadensersatzklagen gegen lügende Vermieter – und erzielt dabei vor Gericht Erfolge.

Im jüngsten Fall verurteilte das Amtsgericht Waiblingen eine Vermieterin zur Zahlung von 7.646 Euro Schadensersatz (AZ: 9C 1106/18), weil sie ihre vermietete 3 ½ Zimmer-Wohnung in Fellbach wegen Eigenbedarf gekündigt hatte, „obwohl ein solcher nicht vorlag“ wie das Gericht feststellte. Auch dieser Kündigung war ein Meinungsstreit zwischen Vermieterin und Mieterin um die Zulässigkeit einer Mieterhöhung vorausgegangen. Das Aufmaß durch den Mieterverein hatte ergeben, dass die Wohnung nicht 115 qm Wohnfläche hatte, sondern nur 90 qm. Deshalb lehnte Mieterin Alexandra L. die Mieterhöhung ab. Drei Monate später erhielt sie die Kündigung der Vermieterin, weil diese angeblich mit ihren zwei kleineren Kindern selbst in die Wohnung einziehen wollte. Die Wohnungssuche gestaltete sich für Alexandra L. und ihr Familie äußerst schwer, zumal sich ihre Tochter in der Zeit von Wohnungssuche und Umzug in den Abiturprüfungen befand. „Die Ängste, Sorgen und der Stress wegen der Kündigung waren für meine Tochter und mich enorm“, berichtete sie dem Mieterverein. Empört musste Alexandra L. fünf Monate nach ihrem Umzug in eine kleinere und teurere Wohnung feststellen, dass die ehemalige Vermieterin nicht in ihre Wohnung eingezogen war, sondern neue Mieter zu erheblich höherem Mietpreis nun in der Wohnung lebten.

Auf Rat von Mieteranwalt Markus Wüst forderte Alexandra L. von der Lügen-Vermieterin Schadensersatz: für 24 Monate Mietdifferenz in Höhe von 6.480 Euro und Umzugskosten über 1.166 Euro. Als die Vermieterin nicht reagierte, erhob Mieteranwalt Wüst Klage und erhielt vor Gericht Recht. Dabei nahm das Gericht der Vermieterin ihre Erklärung nicht ab, sie habe wegen einer schweren Erkrankung ihres amerikanischen Mannes, welcher nun der Pflege in Amerika bedürfe, ihre Umzugspläne verschieben müssen. Denn weder hatte die Vermieterin die Erkrankung ihres Mannes hinreichend belegt, noch hatte sie der Mieterin vor Ablauf der Kündigungsfrist den Wegfall des Eigenbedarfs mitgeteilt, wozu sie verpflichtet gewesen wäre.

„Gestützt auf dieses Urteil wird der Mieterverein bei nicht realisiertem Eigenbedarf zukünftig verstärkt Schadensersatz einfordern“, erklärt Mietervereinschef Rolf Gaßmann. Er rät Mietern dringend, nach Auszug zu überprüfen, wer in ihre ehemalige Wohnung eingezogen ist. Zudem sollten Mieter alle durch den Umzug bedingten Aufwendungen und Mehrkosten durch Belege nachweisen können.

Gez. Rolf Gaßmann

Zurück