Wer die Wohnungsnot in Stuttgart ernst nimmt, darf den Wohnungsbau auf freiwerdenden Gleisflächen nicht verhindern oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben

Mietervereinsvorsitzender rät von Unterstützung des Bürgerbegehrens gegen S21 ab

Mit völligem Unverständnis reagiert der Mieterverein Stuttgart auf das geplante vierte Bürgerbegehren gegen eine Wohnbebauung auf den Flächen von S21. „Es muss doch allen Verantwortlichen für diese Stadt bekannt sein, dass hier zehntausende Wohnungen fehlen und die Wohnungsknappheit die Mieten stark nach oben treibt. Viele Stuttgarter Bürger werden ins Umland abgedrängt, weil sie in Stuttgart keine bezahlbare Wohnung finden können und müssen dann lange Wege zu ihrem Arbeitsplatz nach Stuttgart zurücklegen“, erklärt der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann gegenüber der Presse.

Laut aktuellem Wohnungsbericht stieg die Zahl der Einpendler nach Stuttgart seit 2010 bis heute um 66.558 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, allein seit 2020 um nahezu 19.000. Diese jährlich zunehmenden Pendlerströme und ihre Belastungen durch Lärm und Abgase werden auch nicht durch nächtliche Kaltluftströme auf freibleibenden Bahntrassen kompensiert. Zudem wäre ein durchgrüntes Rosensteinviertel mit Parks und bepflanzten Dächern für das Stadtklima sicherlich besser als eine Schotterfläche, welche sich und die umliegenden Stadtviertel bei Sonne aufheizt.

Gaßmann: „Es ist unehrlich, wenn die Repräsentanten des geplanten Bürgerbegehrens einerseits den Wohnungsmangel kritisieren und beklagen, andererseits aber die dringend erforderliche Wohnbebauung auf S21 zur Verringerung des Wohnungsmangels verzögern oder verhindern wollen.“ Allein von 2020 bis 2024 hat die Zahl der Haushalte in Stuttgart um 38.141 zugenommen, während der Wohnungsbestand nur um 4.970 WE gestiegen ist. Der Mieterverein setzt sich seit Jahrzehnten für ausreichende Flächen für bezahlbaren Wohnungsbau ein, so auch für die geplanten ca. 6.000 Wohnungen auf den ehemaligen Bahnflächen. Es sei daran erinnert, dass schon in den 80er-Jahren unter OB Manfred Rommel ein neuer Stadtteil „Viesenhausen“ mit 11.000 Wohnungen wegen des Wohnungsmangels geplant war. Diese Planung wurde auch deswegen aufgegeben, weil 1994 erste Ideen für die S21-Wohnbebauung konkret wurden. Schon seit dieser Zeit trägt Stuttgart beim Wohnungsbau unter den deutschen Großstädten die rote Laterne.

Auch die Behauptung, auf S21 würden keine bezahlbaren Wohnungen entstehen, lässt Gaßmann nicht gelten: „Bekanntlich gehören alle Grundstücke der Stadt, und diese hat es in der Hand, durch vergünstigte Abgabe der Grundstücke mit Preis- und Belegungsbindungen leistbaren Wohnungsbau zu ermöglichen.“ Darüber entscheide schließlich allein der Gemeinderat mit seiner öko-sozialen Mehrheit. Auch der Verweis auf angeblich alternative Bauflächen am Stöckach und auf dem IBM-Areal sei kein Ersatz für S21. „Auch diese Flächen sind zum Abbau des riesigen Fehlbestands von 30.000 Wohnungen in Stuttgart nötig. Leider gehörten diese Flächen aber bislang nicht der Stadt, was eine sozialverträgliche Bebauung erschwert“, so Gaßmann.

Derweil lässt insbesondere der Wohnungsmangel in Stuttgart die Angebotsmieten weiter explodieren. Laut dem aktuellen Wohnungsbericht stiegen in Stuttgart die Mietpreise pro qm von 8,82 Euro im Jahr 2010 auf 15,51 Euro im Jahr 2024, und damit mit 76 Prozent mehr als doppelt so stark wie die allgemeine Preissteigerung. Mietervereinsvorsitzender Gaßmann rät deshalb allen Mietern, nicht dabei zu helfen, dass der Wohnungsmangel noch größer wird: „Mieter sollten sich nicht an dieser Unterschriftensammlung beteiligen!“

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