Wohnungsbau in Stuttgart bricht drastisch ein

Die Bauverwaltung muss auf die Chancen des Bauturbos vorbereitet sein

„Im vergangenen Jahr konnten wieder deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt werden“, heißt es in der vor wenigen Tagen von der Stadt Stuttgart veröffentlichten Untersuchung des Statistischen Amtes zum Wohnungsbau. Leider stammt die darin enthaltene Zahl von 1.625 zusätzlich entstandenen Wohnungen nicht aus dem letzten Jahr, sondern aus dem Jahr 2023 und beinhaltet auch Einmaleffekte von in 2023 fertig gewordenen größeren Wohnbauprojekten. So erklären auch die städtischen Statistiker die höheren Fertigstellungen in 2023 damit, dass sie „durch Bauvorhaben gestützt wurden, die bereits vor der Zinswende in 2022 begonnen wurden“.

Tatsächlich lag der Nettozuwachs an Wohnungen seit Jahren ein Drittel unter dem von OB Nopper und dem Gemeinderat gesetzten Ziel von 1.800. So wurden (laut Statistischem Jahrbuch 2022/23) in den fünf Jahren vor 2023 nur durchschnittlich 1.240 zusätzliche Wohnungen pro Jahr (Neubau minus Abgänge) in Stuttgart erstellt. Zahlen des Statistischen Landesamts weisen für 2024 nur noch 1.023 Fertigstellungen aus. Darin sind die Abgänge von ca. 200 Wohnungen noch nicht berücksichtigt.

Als besonders besorgniserregend sieht der Mieterverein den drastischen Rückgang der Baugenehmigungen in den letzten fünf Jahren. So wurden in 2023 nur noch 629 Wohnungen zum Bau genehmigt, und in 2024 waren es laut Statistischem Landesamt auch nur 724. Der Immobilienbrief Stuttgart berichtete über nur 180 Baugenehmigungen im 3. Quartal 2024. Gegenüber 2019 sei dies ein Rückgang der Genehmigungen um 78 Prozent.

„Auf solch starke Einbrüche bei den Baugenehmigungen werden dramatische Rückgänge bei den Fertigstellungen folgen. Voraussichtlich wird das städtische Wohnungsbauziel von 1.800 Wohnungen pro Jahr in den nächsten Jahren noch nicht einmal zur Hälfte erreicht werden“, warnt Rolf Gaßmann, Mietervereinsvorsitzender in Stuttgart.

Gemeinderat und Stadtverwaltung dürfen nicht länger hinnehmen, dass das schon viel zu niedrig gesetzte Wohnbauziel von 1.800 Wohnungen noch weiter unterschritten wird. Gaßmann: „Baubürgermeister Pätzold sollte jetzt ins Laufen kommen und darlegen, wie der im Bund auf den Weg gebrachte Bauturbo auch in Stuttgart die Baugenehmigungen schnellstmöglich wieder ansteigen lassen kann.“

Dazu schlägt der Mieterverein der Stadt vor, zu erheben, welche Bauvorhaben durch die gesetzlichen Erleichterungen beim Lärmschutz künftig genehmigt werden können. Weil Befreiungen von restriktiven Bebauungsplänen nicht nur im Einzelfall, sondern auch in mehreren vergleichbaren Fällen erteilt werden können, wird dies Aufstockungen und Dachgeschossausbauten vereinfachen. Auch darin sieht der Mieterverein ein Potenzial für mehr Baugenehmigungen, welches die Bauverwaltung nutzen muss. Zudem können künftig auch im unbeplanten Innenbereich, also dort, wo Bebauungspläne fehlen und nur die prägende Umgebung den Rahmen setzt, Wohnungsvorhaben über den prägenden Rahmen hinaus näher beieinander oder höher gebaut werden. Zudem sollte der im Gesetz vorgesehene „Bau-Turbo“, nach dem Vorbild der Vorschriften für Flüchtlingsunterkünfte, genutzt werden. Dieser erlaubt, von den Vorgaben des Bauplanungsrechts abzuweichen und ermöglicht neben dem Bauen im Bestand die einfachere Nachverdichtung in Wohngebieten.

Stuttgart ist bislang für seine besonders restriktive und langwierige Genehmigungspraxis bekannt. „Angesichts der drastischen Einbrüche beim Wohnungsbau muss das Stuttgarter Bauamt sich auf die kommenden rechtlichen Änderungen für einfachere Baugenehmigungen vorbereiten und sie sich für die dringend benötigte Ankurbelung des Wohnungsbaus zunutze machen“, fordert der Mieterverein. Stuttgart dürfe beim Wohnungsbau nicht weiterhin das Schlusslicht unter allen deutschen Großstädten sein.

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